Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto

Sachverhalt

A hat im Jahr 2008 einen Geschäftsanteil i.H.v. 70 % des Nennkapitals an der X-GmbH zu einem Kaufpreis von 250.000 € von dem bis dato Alleingesellschafter X erworben. A hält den Geschäftsanteil seitdem in seinem Privatvermögen.


Im Jahre 2010 beschloss die X-GmbH eine Ausschüttung aus den Kapitalrücklagen i.H.v. 500.000 €, wovon auf den A ein Betrag i.H.v. 350.000 € entfiel. Die X-GmbH stellte dem A eine Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG aus, wonach die gesamte Ausschüttung aus dem steuerlichen Einlagekonto erfolgte.


In seiner Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2010 machte A weder in der Anlage GSE noch in der Anlage KAP Angaben zu der erhaltenen Ausschüttung, da die Auskehrungen aus dem steuerlichen Einlagekonto gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nicht zu den steuerbaren Einnahmen aus Kapitalvermögen zählen. Die Steuerbescheinigung der X-GmbH über die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos fügte A seiner Einkommensteuererklärung bei.


Das Finanzamt (FA) veranlagte den A zunächst erklärungsgemäß, der Einkommensteuerbescheid erging im Mai 2012 ohne einen Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO. Im Jahr 2014 erhält der A jedoch einen Änderungsbescheid des Finanzamts für den Veranlagungszeitraum 2010, in welchem dieses nunmehr einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 100.000 € i.S.d. § 17 Abs. 4 EStG feststellt, welcher gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c) S. 2 EStG i.H.v. 60.000 € der Besteuerung zu Grunde zu legen sein.


A fragt bei Ihnen an, ob der Änderungsbescheid rechtmäßig ergangen ist. Schließlich hatte dieser das FA ja schon in seiner Erklärung 2010 über den gesamten verwirklichten Sachverhalt durch die Bescheinigung der X-GmbH in Kenntnis gesetzt.


Lösung

Die Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto i.H.v. 350.000 € führte beim A im Jahr 2010 richtigerweise zu nicht steuerbaren Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Allerdings sind Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto als Minderung der Anschaffungskosten auf die Beteiligung zu erfassen. Für den Fall, dass die dem Anteilseigner zuzurechnenden Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto dessen Anschaffungskosten auf die Beteiligung überschreiten, ist bei Anteilen im Privatvermögen der Gesellschafter zu differenzieren:


  • Bei Anteilen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG sind diese als negative Anschaffungskosten zu erfassen und fortzuschreiben.
  • Handelt es sich um eine Beteiligung i.S.d. § 17 EStG sieht § 17 Abs. 4 EStG eine Veräußerungsfiktion vor – die Leistung aus dem steuerlichen Einlagekonto ist daher als Veräußerungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG zu erfassen, wobei der Nennwert der Leistung als Veräußerungspreis gilt.

A hält 70% der Anteile an der X-GmbH und ist daher wesentlich i.S.d. § 17 Abs. 1 EStG an der X-GmbH beteiligt. Die Leistung der X-GmbH führt daher im Jahr 2010 gem. § 17 Abs. 4 EStG zu einem Gewinn i. S. des § 17 Abs. 2 EStG i.H.v. 100.000 €, welcher nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 % zu besteuern ist. Die Feststellung des FA im Änderungsbescheid aus dem Jahr 2014 ist daher materiell zutreffend.


Fraglich ist jedoch, ob das FA im Jahr 2014 noch einen Änderungsbescheid erlassen durfte.


Der BFH hat mit Urteil vom 19.02.2013 in diesen Fällen einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zugestimmt, da die steuerbaren Einnahmen des Klägers i. S. des § 17 Abs. 4 EStG erst nachträglich bekannt geworden seien. Nach Auffassung des BFH war dem FA bei der ursprünglichen Veranlagung nicht bekannt, dass der Steuerpflichtige steuerbare Einnahmen nach § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG erzielte, da dem FA die Anschaffungskosten der Beteiligung nicht bekannt waren. Denn nicht erklärte Anschaffungskosten hätten eine die Steuerbarkeit nach § 17 Abs. 4 EStG leitende Funktion, soweit die Einlagenrückzahlung die Anschaffungskosten übersteigt. Die bloße Kenntnis der Einlagenrückgewähr ist nicht steuerbare Einnahme. Erst die (nachträglich bekanntgewordene) Tatsache, dass die Einlagenrückgewähr die Anschaffungskosten der Beteiligung überschreitet, führt zu einer Steuerrelevanz.


Das Finanzamt durfte daher im Jahr 2014 noch einen Änderungsbescheid erlassen, da die Höhe der Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der X-GmbH durch den A in seiner Erklärung 2010 nicht mitgeteilt wurden und die spätere Kenntnis über die konkrete Höhe dieser Anschaffungskosten als „neue Tatsache“ i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu qualifizieren ist.


Weiterführende Hinweise

BFH, Urteil vom 19. Februar 2013, IX R 24/12, BStBl II 2013, 484

OFD Frankfurt vom 04.02.2014, S 2244 A-41-St 215